Zu Gast bei der Nummer vier der Türkei

Trabzonspor ist nach den drei Istanbuler Topclubs Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas der populärste Verein in der Türkei. Obwohl relativ spät gegründet (1967) machte der Verein Trabzon zu einer Fussballstadt, wobei sich die Leistungen des Clubs stets auf die Stimmung der Bewohner auswirken. Das belegen die Zuschauerstatistiken: Trabzonspor hatte letzte Saison mit durchschnittlich 23'000 Fans den vierthöchsten Wert im Land. Knapp vor Bursaspor, der zweite Verein, der nicht aus Istanbul stammt und bereits einen türkischen Meistertitel gewinnen konnte. Zwar holte Trabzonspor seine letzte von insgesamt sechs Meisterschaften vor 35 Jahren, nichtsdestotrotz weist das aktuelle Team Qualität auf. Ein Anhänger von Trabzonspor berichtet, dass die Mannschaft das Konterspiel über die Flügel sowie die nachrückenden Aussenverteidiger bevorzugt. Das Team kassiere aufgrund dieses Spielstils aber zu viele Tore, nur selten steht die Null am Spielende. Die aktuelle Spielzeit bestätigt dies, in den bisherigen elf Partien spielte Trabzonspor nie zu null. Auch resultatmässig läuft es Trabzonspor derzeit durchwachsen, ihre Bilanz lautet wie folgt: 4 Siege, 4 Unentschieden und 3 Niederlagen. Aber Achtung: Trabzonspor schlug bereits Sparta Prag, AEK Athen sowie Besiktas und erreichte gegen Fenerbahce ein Unentschieden. Vielmehr haben sie Probleme gegen vermeintlich schwächere Teams wie Genclerbirligi oder Sivasspor. In der Europa-League-Gruppenphase resultierte im ersten Spiel gegen Getafe eine 0:1-Auswärtsniederlage. Trabzonspor agierte in Spanien verunsichert und war bedacht, keine Fehler zu begehen. Die Niederlage ging in Ordnung, ohne dass Getafe dabei glänzte.

 

Verletzungspech im Kader

Weiter führte der Trabzonspor-Anhänger aus, dass die Teamchemie zurzeit ausgezeichnet sei. Ein Blick auf den Kader unterstreicht dies, das Management von Trabzonspor scheint einen guten Mix zwischen erfahrenen Profis und ehrgeizigen Talenten gefunden zu haben. Einem John Obi Mikel, Champions-League-Sieger mit dem FC Chelsea, und einem José Sosa stehen talentierte Junge wie Alexander Sörloth, ausgeliehen von Crystal Palace, oder Stammtorhüter Ugurcan Cakir gegenüber. Vor der Saison gelang Trabzonspor ein wahrhafter Transfercoup, vom amtierenden Champions-League-Sieger FC Liverpool wechselte Daniel Sturridge in den Nordosten der Türkei. Leider reihte sich dieser ins Lazarett des aktuell vierten der türkischen Liga ein und spielte bislang lediglich 65 Minuten. Neben dem Engländer sind derzeit einige wichtige Spieler verletzt. Dazu gehören der IV Ivanildo Fernandes (23), der ZM Ogenyi Onazi (26) sowie die Flügelspieler Yusuf Sari (20) und Abdülkadir Ömür, welcher mit 20 Jahren bereits einen Marktwert von 15 Millionen Euro auf transfermarkt.com aufweist, sowie Torjäger Caleb Ekuban (25). Unter anderem aufgrund dieses Verletzungspechs stellte Trainer Ünal Karaman (53) im letzten Spiel gegen Besiktas (4:1) mit Kamil Cörekci einen Rechtsverteidiger auf die Position des rechten Mittelfeldspielers. Eine mögliche Trabzonspor-Aufstellung gegen den FCB wäre die aus dem Spiel gegen Besiktas.

Da das Mittelfeld des Öfteren die Schwäche von Trabzonspor bildete, veränderte Ünal Karaman das Personal im zentralen Mittelfeld. In drei der letzten vier Spielen bildeten John Obi Mikel, José Sosa und Abdulkadir Parmak ein kompaktes Trio. In der IV wäre der Argentinier Gastón Campi eine Alternative zu den beiden in der Aufstellung genannten. Im Angriff ist zurzeit nur die RM-Position umstritten, dort war Donis Avdijaj nach der Verletzung von Abdülkadir Ömür lange Zeit gesetzt. Doch wie in der Aufstellung ersichtlich, agierte im letzten Spiel, welches sehr erfolgreich war, der RV Kamil Cörekci auf der RM-Position. Und wie heisst es so schön: „Never change a winning team.“ Befolgt Karaman diesen Spruch, könnte Trabzonspor gegen Basel wie gegen Besiktas auftreten. Welche Erkenntnisse sonst noch aus der Partie gegen Besiktas gewonnen werden konnten, erfahrt ihr nun.

 

Trabzonspor (hellblaue Trikots) vs. Besiktas 4:1 (2:0)

In den ersten 20 Minuten überliess Trabzonspor den Ball mehrheitlich Besiktas und liess die Istanbuler bis kurz vor der Mittellinie gewähren. Nach dieser anfänglichen Passivität wurde Trabzonspor zunehmend bissiger und gewann je länger das Spiel dauerte mehr Zweikämpfe. Das 1:0 und 2:0 waren etwas glückliche Treffer, ein Eigentor nach einem scharf getretenen Freistoss von Sosa und ein abgefälschter Weitschuss desselben Spielers. Trotzdem ging die Führung in Ordnung. In der 64. Minute gelang Sörloth nach Flanke von Nwakaeme mit dem 3:0 die Vorentscheidung. Sörloth setzte seine Körpergrösse von 1.95 m mehrmals gekonnt ein und konnte vorne einige Bälle fest machen. Ausserdem war der Norweger viel auf der horizontalen Achse unterwegs und holte sich die Bälle an der rechten bzw. linken Seitenauslinie. Nach dem 3:0 zog sich Trabzonspor etwas zurück, doch Besiktas kam nicht mehr ins Spiel zurück. Beide Teams erzielten in der Schlussphase jeweils noch ein Tor.

 

Das Spiel gegen den Ball von Trabzonspor

Das Spiel gegen den Ball war meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg gegen Besiktas. Trabzonspor liess Besiktas bei deren Spielaufbau bis kurz vor der Mittellinie gewähren. Auf die drei Aufbauer (rote Linien) von Besiktas wurde nahezu kein Druck ausgeübt, vielmehr wurden ihre Anspielstationen zugestellt (blaue Pfeile). Folglich konnten sich die drei Aufbauer von Besiktas den Ball oftmals nur untereinander zuspielen, ohne Raum gegen vorne zu gewinnen.

Kam Besiktas jedoch in die Mittelfeldzone (20m vor und hinter der Mittellinie), wurden die Istanbuler enorm unter Druck gesetzt. Trabzonspor führte ein sehr aggressives Mittelfeldpressing auf den ballführenden Spieler von Besiktas aus. Die Akteure von Besiktas wurden in dieser Zone immer von einem oder zwei Spielern von Trabzonspor bedrängt. Dadurch wurde Besiktas bei ihrem Übergangspiel der Schneid abgekauft, nur selten konnte Besiktas das Mittelfeldpressing überspielen. Vor allem ab der 20. Minute betrieb Trabzonspor das Mittelfeldpressing sehr erfolgreich.

Generell betrieb Trabzonspor in der kompletten eigenen Platzhälfte ein äusserst aggressives Pressing. Das ging so weit, dass sogar die beiden IV von Trabzonspor die Angreifer von Besiktas meterweit verfolgten, wenn diese den Ball gegen das eigene Tor führten. Das heisst, die IV von Trabzonspor rückten aus ihrer angestammten 4er-Kette heraus, um den Ball zu erobern. Unfair agierte Trabzonspor dabei nur selten, der Schiedsrichter pfiff meiner Meinung nach zu oft ab, als Trabzonspor den Ball spielte und kein Foul beging. Wie zu Beginn erwähnt, zog sich Trabzonspor nach dem 3:0 etwas zurück und verfolgte das Mittelfeldpressing nicht mehr so stark. Jedoch wurde Besiktas in dessen Angriffsdrittel weiterhin kein Raum gelassen und Trabzonspor verteidigte solidarisch zu zehnt.

Weitere Aspekte des Spiels von Trabzonspor

Aus dem vorhin erwähnten Mittelfeldpressing kann Trabzonspor bei Ballgewinn schnell in die Offensive umschalten. In diesem Konterspiel liegt die Stärke von Trabzonspor, wobei Besiktas im analysierten Spiel darauf vorbereitet war. So musste Trabzonspor den Ball einige Male zuerst sichern, ehe ein geordneter Spielaufbau vollzogen werden konnte. Im Spielaufbau kristallisierte sich vor allem John Obi Mikel als Ballverteiler in der Mittefeldzentrale heraus.

Ausblick

In seiner Mittelfeld- und Angriffszone wird sich der FC Basel auf sehr aktiv pressende Spieler von Trabzonspor gefasst machen müssen. In diesen beiden Zonen wird der FC Basel keine Zeit haben, um lange zu überlegen. Nur durch schnelles Kombinationsspiel und Freilaufen kann das Mittelfeldpressing überbrückt werden. Für die Offensive des FC Basel wird es ein sehr hartes Spiel, sie muss sich auf viel physischen Kontakt vorbereiten und dagegen halten. Weiter muss auf das offensive Umschaltspiel von Trabzonspor geachtet werden, sollte ihr Mittelfeldpressing erfolgreich sein. In diesem Fall sollte der FC Basel schnellstmöglich wieder hinter den Ball kommen. Deshalb wäre es zu Beginn angebracht, nicht zu hoch zu stehen.

Entscheidend werden die Leistungen von Xhaka, Frei und Zuffi, welche im Mittelfeldzentrum auf ein gegnerisches 3er-Mittelfeld treffen könnten, sein. Insbesondere auf Xhaka ist das physische Spiel von Trabzonspor glücklicherweise zugeschnitten. Im Sturm könnte sich ein Einsatz von Cabral lohnen, da er standfester als Ademi ist und den Ball auf engem Raum gut abdecken sowie verarbeiten kann.

Trabzonspor wird ein hartnäckiger Gegner sein und sie sind gewarnt durch Basels 5:0-Startsieg gegen Krasnodar. Nochmals ein Resultat in dieser Höhe ist doch eher unwahrscheinlich, vielmehr werden wenige Tore den Unterschied ausmachen. Auch ein Unentschieden wäre je nach Spielverlauf und auswärts in einem stimmungsvollen Stadion ein gutes Resultat. Apropos stimmungsvoll: Siege feiern die Spieler und Fans von Trabzonspor jeweils mit einem Volkstanz, genannt "Kolbasti". Das sieht dann wie folgt aus:

weitere Videos dazu gibt es auf Instagram:

https://www.instagram.com/p/B3BwC-HlM_6/?igshid=14gbnmam5a0ic

https://www.instagram.com/p/B1REQpuh1xA/?igshid=b2ns5o5u5901

 

PS: Vielen Dank an Emre (https://www.instagram.com/emrenez/), welcher mich per Instagram mit vielen interessanten Informationen über Trabzonspor beliefert hat.

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